Großarmschlag. Sieben Millionen Euro wird AVS Römer demnächst ausgeben, im Gewerbegebiet Reismühle bei Grafenau soll ein neues Firmengelände entstehen – die beeindruckenden Zahlen: 10.000 Quadratmeter Produktions- und 1.200 Quadratmeter Verwaltungsfläche. Schon allein diese Investition macht deutlich, wie viel dem Münchener Unternehmen am Standort im Bayerischen Wald liegt. Im Interview mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ sprechen Geschäftsführerin Gabriela Römer, Ehegattin des bereits verstorbenen Firmengründers Joachim Christian Römer, und der Grafenauer Betriebsleiter Peter Podhorodeski über die Vorteile der ländlichen Region und über die Qualitäten der Waidler. Außerdem erklären sie, wie schwierig es mittlerweile geworden ist, an Auszubildende zu kommen – und warum der Begriff „Kopfgeld“ in diesem Zusammenhang immer häufiger fällt…
Seit 1980 produziert AVS Römer, ursprünglich im Münchener Raum heimisch, in Großarmschlag bei Grafenau.
Frau Römer, beschreiben Sie uns bitte kurz Ihren Betrieb!
Gabriela Römer: Insgesamt hat AVS Römer drei Standorte – in Grafenau, in Langenberg im Erzgebirge und in Königsdorf bei Wolfratshausen. Hier im Bayerischen Wald sind derzeit 137 Menschen beschäftigt. Wir setzen dabei auf sehr wenig Fluktuation – die meisten Mitarbeiter sind schon seit Jahren bei uns angestellt. Nachdem ich erst drei Jahre Geschäftsführerin bin, hat mir dieser Rückhalt seitens der Belegschaft nach dem Tod meines Mannes sehr viel Sicherheit gegeben. In Großarmschlag befindet sich übrigens unser Hauptwerk.
Und das, obwohl alles im Münchener Raum begonnen hat?
Genau. Vor über 40 Jahre hat mein Mann im Keller seines Wohnhauses begonnen, an Ventilen zu tüfteln. Als Ingenieur der Firma Bürkert – inzwischen übrigens ein großer Wettbewerber von uns – hatte er großes Wissen angesammelt, das er irgendwann als Selbstständiger umsetzen wollte. Schnell hat er dann mit Robert Süß, seit drei Jahren technischer Geschäftsführer, einen Mitstreiter gefunden. Sprunghaft ist die Firma dann gewachsen – und der Keller wurde zu klein. Erst ging’s nach Straßlach, auch dort wurde aber der Platz zu wenig.
Seit 2011 Geschäftsführerin bei AVS Römer: Gabriela Römer.
Den fanden Sie im Bayerischen Wald?
Gemeinsam mit Richard Wander, früher Betriebsleiter, ist man auf den Standort Grafenau gekommen. Im Münchener Umkreis ist die Konkurrenz in Sachen Arbeitsplätze mit BMW und MTU zu groß. Irgendwie sind mein Mann, Richard Wander und Robert Süß dann nach Großarmschlag gekommen, wo sie 1980 eine bereits bestehende Lagerhalle der Bayerischen Leichtmetallwerke übernommen haben.
Wie war Ihr persönlicher Werdegang?
Gabriela Römer: 2007 habe ich meinen Mann kennengelernt – wir waren nur vier Jahre zusammen, dann ist Joachim leider gestorben. Vorher war ich Buchhalterin und dann Sekretärin bei der Deutschen Teakwondo-Union, auch wenn ich diese Sportart nicht betrieben habe (lacht). Nebenbei hatte ich sehr viele Ehrenämter wie beispielsweise Elternbeiratsvorsitzende an verschiedenen Schulen meiner Kinder, sowie Gemeinderätin in Karlsfeld. Nach dem Tod meines Mannes bin ich dann geschäftsführende Gesellschafterin von der AVS Römer geworden.
Peter Podhorodeski: Als gelernter Industriemechaniker habe ich nach einigen Jahren Berufserfahrung den Industriemeister Metall gemacht. Meine erste Leitungsaufgabe hatte ich als Kraftwerksleiter in München, wechselte dann zu einem Automobilzulieferer als Produktionsleiter. Von dort ging ich nach England zur Firma Thule Dachsysteme. Später war ich dann im Sondermaschinenbau im Raum Rosenheim und in Sachsen als Betriebsleiterbeschäftigt. Zwischendurch habe ich eine Fortbildung zum technischen Betriebswirt IHK gemacht. Seit 2012 bin ich nun Betriebsleiter bei AVS Römer, und bin auch mit meiner Familie nach Großarmschlag gezogen.
Chef im Bayerwald: Peter Podhorodeski ist Betriebsleiter des Werkes in Großarmschlag.
Dort wird aber AVS Römer nicht mehr lange sein?
Gabriela Römer: Stimmt. Herr Wander, der vorherige Grafenauer Betriebsleiter, plädierte für einen Hallenanbau, da unsere derzeitigen Fertigungshallen keinen Platz für Maschinenerweiterungen erlauben. Ich entschied mich dafür, die Hallen und das Verwaltungsgebäude im Industriegebiet Reismühle Süd neu aufzubauen. Die Kosten eines Neubaus sind nicht erheblich teurer, wird sich mit zirka sieben Millionen Euro zu Buche schlagen, die wir aus Eigenmitteln aufbringen werden.
Peter Podhorodeski: Durch die vielen kleineren Anbauten ist die Produktionfläche sehr verschachtelt, was nicht mehr zeitgemäß ist. Die neue Halle wird 10.000 Quadratmeter Produktions- und Lagerflächen haben, dazu kommen noch 1.200 Quadratmeter für die Verwaltung.
Welchen Zeitplan haben Sie in Sachen Neubau?
Gabriela Römer: Mein Wunschtermin des Baubeginns ist Ende Juni 2014, 2015/2016 ist der Einzug geplant.
„Wir haben eine ungeheure Fertigungstiefe.“
Was genau stellen Sie her?
Peter Podhorodeski: Der Ursprung der Firma ist die Entwicklung und Herstellung von Verschraubungen und Magnetventile für die Pneumatik und die Fluidtechnik. Vor allem in diesem Bereich hat sich Joachim Römer einen Namen gemacht. Und auch heute sind Ventile noch unser Alleinstellungsmerkmal – wir entwickeln und fertigen Branchen- und kundenspezifische Sonderlösungen speziell nach Kundenanforderung.
Gabriela Römer: Wir haben eine ungeheure Fertigungstiefe. Meinem Mann war es immer wichtig, dass alles unter einem Dach ist. Deshalb legen wir seit jeher auch großen Wert auf einen eigenen Werkzeugbau. Deshalb können wir auch auf spezielle Kundenwünsche kurzfristig reagieren.
Wo sind AVS Römer-Produkte drin?
Peter Podhorodeski: Unsere Produkte finden Anwendung in Nahrungsmittelmaschinen, Verpackungsmaschinen, Chemietechnik, Industriearmaturen, Mess- und Prüftechnik sowie unter anderem in der Drucktechnik.
Gabriela Römer: Die meisten sieht man nicht – vieler unser Teile werden verbaut.
Welche Märkte gehören sonst noch dazu?
Peter Podhorodeski: …allgemein der Maschinenbau, überall wo Flüssigkeiten geregelt werden müssen. Früher waren wir mehr im Pneumatik-Bereich angesiedelt, mittlerweile im Fluid-Bereich. Was aber viel schwieriger ist: Tritt irgendwo Luft aus, ist es nicht so schlimm – bei Flüssigkeiten ist das schon anders.
Gabriela Römer: Die Milch bei Kaffeemaschinen ist bakteriell zum Beispiel eine sehr große Herausforderung.
Peter Podhorodeski: Uns ist es wichtig, sich an den Wünschen der Kunden zu orientieren. Wir legen großen Wert auf die eigene Forschung – und arbeiten deshalb auch mit der Technischen Hochschule Deggendorf zusammen.
„Die Mitarbeiter identifizieren sich voll und ganz mit dem Betrieb“
Wie sieht diese Zusammenarbeit aus?
Gabriela Römer: Ich habe 2011 die Joachim-Christian-Römer-Stiftung gegründet. Dabei vergeben wir Stipendien an technischen Nachwuchs. Die ersten Früchte dieser Aktion können wir schon bald ernten. Außerdem arbeitet unsere Konstruktionsabteilung mit der Deggendorf und anderen Hochschulen zusammen.
Mit Grafenau und Langenberg haben Sie zwei Produktionen im ländlichen Raum. Ist das Absicht?
Gabriela Römer: Ja. Warum es zum Standort Grafenau gekommen ist, habe ich schon vorher erklärt. Langenberg: Kurz nach der Öffnung der Grenze war mein Mann interessiert, in der ehemaligen DDR eine Fabrik zu eröffnen. Er sagte, dort gäbe es sehr viele kluge Köpfe. Und passenderweise hat es im Erzgebirge schon ein Industrie-Zentrum gegeben, wo man auch das nötige Personal schnell gefunden hat.
Welche Standortvorteile hat der Bayerische Wald?
Gabriela Römer: Hier bekommt man noch sehr gute Facharbeiter und außerdem mag ich die Bodenständigkeit und Offenheit der Kollegen. Außerdem ist es ein Vorteil die Unterstützung und Interesse an der Industrie der Politiker, wie des Landrates, des Bürgermeisters und der Regierung von Niederbayern zu erfahren.
Peter Podhorodeski: …mittlerweile wird es aber auch immer schwieriger – ähnlich wie in vielen anderen Regionen. Sind die Mitarbeiter dann aber angestellt, identifizieren sie sich voll und ganz mit dem Betrieb. Ich denke, dass die Mentalität der Waidler generell so ist – dazu kommt die familiäre Atmosphäre in unserem Betrieb. Trotzdem kommt man nicht mehr drumrum, aktiv nach Nachwuchs zu suchen. Das Rekrutieren von Personal ist sowieso ein Schwerpunktthema im Betrieb.
Gabriela Römer: Ein Argument für uns ist sicher unsere Mitarbeiterfreundlichkeit – wir sind da sehr fair und bieten den Mitarbeitern viele Zuckerl.
Peter Podhorodeski: Wir führen intensive und regelmäßige Gespräche mit allen Mitarbeitern, versuchen auf deren Bedürfnisse auch sofort einzugehen. Wichtig ist auch die Transparenz, alle sollen wissen, was los ist im Betrieb.
Gabriela Römer: Auch haben wir eine Einkaufskarte für unsere Mitarbeiter eingeführt, die jeden Monat mit 44 Euro aufgeladen wird. Zudem sind die Getränke im Betrieb kostenlos.
Welche Nachteile hat der Woid?
Peter Podhorodeski: Der Aktionsradius – auch hinsichtlich Personal – wäre wohl größer, wenn wir einen Autobahnanschluss hätten.
Vorher bereits angesprochen: die Ausbildung. Wie hat sich die Zahl und Qualität der Schulabgänger in den vergangenen Jahren entwickelt?
Peter Podhorodeski: Die Qualität ist mit Sicherheit nicht schlechter geworden, die Zahl der Schulabgänger, die eine Lehre anstreben, hingegen ist rapide gesunken. Deshalb werben wir auch direkt in den Schulen für unseren Betrieb. Verändert hat sich die Einstellung der möglichen Lehrlinge, weil es sehr leicht ist, eine Lehrstelle zu bekommen. Einige Firmen arbeiten in dieser Hinsicht auch schon mit Kopfgeld oder anderen finanziellen Spritzen. Wir nicht, wir wollen mit unserer Philosophie überzeugen, weil nur das Mitarbeiter langfristig an das Unternehmen bindet.
Abschließende Frage: Wo steht AVS Römer in zehn Jahren?
Gabriela Römer: Die großen Ziele in den kommenden Jahren sind der kontinuierliche Ausbau unseres Unternehmens bei gleich bleibendem Leistungs- und Qualitätsanspruch und die Expansion in internationale Märkte. Vor allem bei Letztgenannten haben wir Nachholbedarf.
Peter Podhorodeski: Ein bisschen träumen wir nach wie vor auch von einer eigenen Maschine, die komplett von uns gefertigt wird.
Interview: Helmut Weigerstorfer und Stephan Hörhammer
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